
Tag 20 – Dauercamper an der deutschen Ostsee
Wir erwachen bei strahlendem Sonnenschein. Blauer Himmel, klare Luft, die Ostsee liegt direkt vor uns und glitzert in der Morgensonne wie ein Versprechen auf einen perfekten Tag. Es ist ruhig, friedlich – fast schon kitschig schön.
Wir sind früh wach, was selten ist, aber heute genau richtig. Die frischen Brötchen haben wir schon am Vorabend im kleinen Camper-Shop bestellt. Jetzt sitzen wir draußen, mit Kaffee in der Hand, Frühstück unter freiem Himmel, Möwen in der Ferne, das Rauschen der Wellen im Ohr.
Vanlife at its best.
Bis 9 Uhr.
Pünktlich zum Samstagmorgen marschieren die frisch zum Wochenende angereisten Dauercamper zur Tat. Rasenmäher starten synchron, Akkutrimmer und irgendjemand wirft noch einen Laubbläser an – sicher ist sicher. Die Idylle bekommt Risse. Samstag ist Samstag. Und Samstag ist Deutschland. Da wird gemäht, getrimmt, gesäubert. Ordnung muss schließlich sein – auch auf dem Campingplatz, insbesondere unter Dauercampern.
Wir trinken unseren Kaffee tapfer weiter und versuchen, uns nicht vom Lärm vertreiben zu lassen. Die Blicke, dir wir mit unter uns Wohnmobil-Nachbaren austauschen, bestätigen unsere Gedanken.
Trotz allem: Die Sonne scheint, das Meer bleibt da – und der Rasen wird irgendwann auch wieder still sein.
Apropos Dauercamper
Willkommen auf dem Campingplatz an der Ostsee, wo zwei Lebensentwürfe kollidieren: Auf der einen Seite die Dauercamper, fest verwurzelt wie die Hecke zwischen Parzelle 17 und 18. Auf der anderen Seite: wir, die Nomaden auf Rädern, mit dem Wohnmobil auf der Suche nach Natur, Ruhe und einem Hauch von Freiheit.
Es ist ein Aufeinandertreffen zweier Welten – und das nicht immer ganz geräuschlos, spätestens am Samstagmorgen wird’s laut.
Was uns immer wieder besonders ins Auge fällt – und das leider buchstäblich – ist der Plastik-Overkill an der der deutschen Ostsee.



Vorzelte, Anbauzelte, Planen über Planen aus Kunststoff. Graue, grüne, geblümte, gestreifte, alles was das Dauercamper-Herz begehrt ist vorhanden. Unser Blick schweift nicht etwa über Dünen oder Meer, sondern bleibt an einer ausgeblichenen Baumarktfolie hängen, kunstvoll mit Spanngurten an einem Pavillon befestigt. Schön? Eher selten.

Wir fragen uns immer wieder:
Geht Dauercamping nicht auch in schön?
Vielleicht mit etwas mehr Holz, Hecke oder Zurückhaltung?
Ein Blick nach Skandinavien zeigt, dass es sehr wohl geht. In Schweden oder Dänemark haben wir selten diese Plastikplanen im Übermaß gesehen.
Die Gestaltung ist oft schlichter, naturnaher, weniger abgeriegelt. Weniger Zäune, weniger Plastik, mehr Holz, Hecken, natürliche Abgrenzungen.
Dort scheint man auf Natürlichkeit und Zurückhaltung zu setzen. Weniger ist mehr. Mehr Stil, mehr Ruhe, weniger Sichtschutzwahn, Hygge eben.
Aber gut, wir sind in Deutschland. Hier ist der Parzellenstolz groß. Jeder nach seiner Fasson, sagt man ja. Trotzdem bleibt das Gefühl: Diese beiden Campingwelten – die Sesshaften und die Vagabunden – lassen sich nur schwer vereinen. Und vielleicht muss das auch gar nicht sein. Solange man sich mit einem Lächeln grüßt, den Rasen vielleicht erst nach dem Frühstück mäht und seine Plastikfestung nicht über Nachbars Grundstück wachsen lässt, kann das sogar funktionieren.
Fahrradtour nach Langballigholu
Zum Mittag schwingen wir uns aufs Rad – heute mal in die entgegengesetzte Richtung im Vergleich zu gestern.
Der Weg führt uns über kleine Orte mit charmanten Namen: Siegum, Freienwillen – über Felder, durch sanfte Wiesenlandschaften und idyllische Dörfer. Ein paar Pferde am Zaun, Apfelbäume, die sich über schmale Straßen lehnen – es rollt sich gut durchs norddeutsche Landleben.
Unser Ziel: der Hafen von Langballigholz. Dort angekommen, macht sich – wie immer – ein vertrautes Gefühl breit: Hunger.
Wir starten also die Mission „Mittagessen“. Auswahl gibt’s genug:
Fischbrötchen in allen denkbaren Varianten, Pizza, Pasta, Pommes – das übliche norddeutsche Gastro-Trio.

Aber: Die Entscheidung fällt heute nicht nach Appetit, sondern nach Sitzkomfort. Klingt komisch, hat aber seine Gründe.
Erste Location: Das Fischlokal. Klingt vielversprechend – aber die gemütlichen Strandkörbe sind alle besetzt, was bleibt, sind Bierkästen mit Sitzpolstern. Nein danke. Beim Essen wollen wir nicht balancieren, sondern genießen.
Zweite Location: Ein Lokal mit Biergartenmöbeln im bayrischen Stil. Geht klar, aber ehrlich gesagt – wir sind nicht zum Oktoberfest hier, und ein bisschen Rückenfreundlichkeit wäre nett gewesen.
Dritte Location: Sieht super aus! Stylische, moderne Möbel, bequeme Lounge-Ecken. Einladend! Der Haken: VEGAN – es handelt sich um ein veganes Restaurant!
Der Pilot verzieht sofort das Gesicht:
„Vegan? Nee, das will ich nicht.“
Ich: „Warum nicht? Ist bestimmt lecker.“
Er: skeptischer Blick.
Und dann – wie eine himmlische Fügung – kommt uns ein Duft entgegen: frische Pommes! „Ok, dann esse ich halt einfach Pommes“
Die Entscheidung ist gefallen. Wir gehen rein – also auf die Terrasse.
Was soll ich sagen? Es war ein Volltreffer.
Der vegane Burger (ohne Brot, dafür mit allem anderen) war richtig gut. Der Pilot war nicht nur satt, sondern begeistert:
„Es hat sehr gut geschmeckt!“ – O-Ton, ohne Nachdruck. Das heißt was. Für die Reiseleitung gab’s eine Sushi-Bowl! Mega lecker!


Und der Innenraum? Stilvoll, urban, durchdacht designt. Man wähnt sich eher in einem Szeneviertel von Hamburg, Berlin oder München – nicht in einem kleinen Hafenstädtchen an der Ostsee. Ein echter Geheimtipp.


Fazit: Manchmal ist es der Sitzkomfort, der die besten kulinarischen Entdeckungen bringt. Und ein offener Magen öffnet auch den Geist.
